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theoretischer Hintergrund

zum Begriff ANAFONESIS

von Jutta Haag und Marianne Altmaier



Anafonesis - Die Entdeckung der leisen Töne

Vor 15 Jahren enstand das „geführte Tönen“ aus dem Bedürfnis, mitzuhelfen Frauen die Möglichkeit zurückzugeben, selber zu gebären – entgegen der Entwicklung unserer Zeit, ein Kind mit aller technischen Raffinesse zu entbinden. Seit dieser Zeit haben die beiden Autoren Annette und Fritz Helmut Hemmerich kontinuierlich weitergeforscht und –gearbeitet an den therapeutischen Wirkungen und den diagnostischen und stimmbildnerischen Möglichkeiten des geführten Tönens und auch den Kreis derer erweitert, mit denen sie tönend arbeiten. Aus dieser langjährigen Erfahrung heraus entstand nun das Buch „Anafonesis – Geführtes Tönen“.

Das geführte Tönen ist ein praktischer methodischer Ansatz, durch die eigene Stimme etwas hervorzubringen und zugleich des Prozesses der Hervorbringung gewahr zu werden, das heißt Tönen und Lauschen als Ungetrenntes zu erfahren, was sich auf psychische und physische Prozesse gesundend auswirkt.

Das Buch richtet sich vor allem an Menschen, die dem „Erheben ihrer Stimme unsicher und skeptisch gegenüberstehen“, die aber alleine übend mehr Energie, wachsende leibliche und seelische Gesundheit und inneren Einklang entstehen lassen möchten. Aber auch die psychotherapeutischen und leiborientierten Therapieansätze von medizinisch und therapeutisch Tätigen können durch diese Methode sehr bereichert werden. Und nicht zuletzt werden SängerInnen und SchauspielerInnen durch die Arbeit mit dem geführten Tönen neue Dimensionen ihres Stimmklanges entdecken.

In dem vorliegenden ersten Band sind klar und gut nachvollziehbar die „Basislektionen zur Entfaltung der impliziten Lebensenergie durch die menschliche Stimme“ beschrieben: Sitzhaltung und Leibwahrnehmung, Lauschen, Summen und Wahrnehmen, Resonanzräume erfahrbar machen, Anregung der inneren Kraftquelle, der Laut H als Medium der Vokale, mit dem ersten Vokal in die Stimmentfaltung, erste Differenzierung innerhalb der Vokalwelt, die maximale Öffnung des Atemstroms durch das A und die Lautfolge A-O-U-M. Jedes Kapitel wird mit einem Übungsziel eingeleitet und mit einer Beschreibung des Potentials, das in der jeweiligen Übung liegt, abgeschlossen. Sehr hilfreich sowohl für das eigene Üben als auch für die therapeutische Anwendung sind die Hinweise auf eventuell auftauchende Hürden und Fragen zur Übungspraxis, zu denen in einem ausführlichen Anhang Stellung genommen wird. Dadurch wird der Band zu einem praktischen Handbuch. Zeichnungen und Audiospektramme verdeutlichen das Beschriebene, fundieren es aus naturwissenschaftlicher Sicht und helfen mit, innere Bilder entstehen zu lassen, die in der Lage sind, direkt auf den Klang der Stimme einzuwirken. So kann im Üben mit der Zeit eine Sicherheit entstehen, die sich an dem selbst Gefühlten, selbst Erlauschten orientiert, auch wenn eine einführende Schulung in jedem Fall sinnvoll bleibt. Ein Ausblick und eine ausführliche Literaturliste runden das Buch ab.

Annette und Fritz Helmut Hemmerich haben mit dem schmalen Band ein kleines Kunstwerk geschaffen. In den kurzen Übungsanleitungen wird eine Fülle an Erfahrungen spürbar: Ohne zu überfordern führen sie die/den Übende/n mit sicherer Hand und eröffnen den Raum für eigene Töne. Sehr differenziert unterstützen sie das innere Sich-öffnen durch Wahrnehmungs- und Vorstellungshilfen und durch Beschreibungen der eventuell sich einstellenden seelisch-leiblichen Vorgänge, so dass man sich bei jedem Versuchen mitgetragen fühlt. Dadurch entsteht die Bereitschaft und Fähigkeit, auch feine Unterschiede wahrzunehmen und den Reichtum der leisen Töne zu entdecken ohne „den angstbedingten Rückgriff auf gewohnheitsmäßige Vorstellungen“. Sie gehen sorgsam um mit vielleicht auftretenden Hürden und Ängsten, aber dennoch soll das Buch weder der Eigentherapie noch dem Erlernen einer therapeutischen Methode dienen, sondern Übungshilfe sein für das Aufschließen und Erweitern der eigenen Stimme.

Es ist ein Buch, das hinführt zu dem, was die Autoren im Vorwort beschreiben, „dass man handeln kann ohne etwas zu tun“. Ein wunderbares Buch, dessen nachfolgenden Bände mit Freude erwartet werden dürfen.

Annette und Fritz Helmut Hemmerich, Anafonesis – Geführtes Tönen, Norderstedt 2006,
ISBN 3-8334-5107-6, 28,00 EUR

Jutta Haag, Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin nach Schlaffhorst & Andersen





von Marianne Altmaier, Kunsttherapeutin


„...die Voraussetzung schaffen dafür, dass er eingeladen wird zu erklingen.“

Als ich im Programm des Centro de Terapia Antroposófica auf Lanzarote „Geführtes Tönen“ las, dachte ich an Tönen mit Klangschalen oder an das Suchen des eigenen Tones. Es interessierte mich unmittelbar und ich wollte es in den drei Wochen meines Erfahrungsaufenthaltes dort kennen lernen. Mit interessierter Offenheit ging ich an drei Morgenden jede Woche zu dieser Therapie, die mir völlig neue Erfahrungsräume öffnete.

Nach gründlicher Vorbereitung von Körperhaltung und Atemführung beginnen wir mit dem Tönen. Ist es eine Art Sprachgestaltung der Singstimme? Ist es eine Wahrnehmungsschulung der Leibbewegungen der Laute, bevor sie als Klang oder Eurythmie in Erscheinung treten?
Am Anfang tönen wir den Laut M. Ich habe den Eindruck, dass sich die gesamte Mundhöhle erweitert und ich das M mit seiner Helligkeit, Dunkelheit, Gepresstheit und Weichheit um den Kopf herum erlauschen, ja es auch modifizieren kann.
Das F blasen wir im Sitzen und im Stehen auf einen langen Ausatemstrom mit der Empfindung einer entspannenden Vertiefung des Bauchraumes. Wir wechseln zum Tönen des S. Welch ein Kontrast! Nacken- Rücken- und Gesäßmuskulatur straffen sich. Ich erlebe mich wie von hinten gerafft. Nach dem Loslassen dieser Straffung entsteht Wohlgefühl im Leib.
Dann mache ich Erfahrungen mit dem Laut H. Wir prüfen beim Blasen des F und beim Hauchen des H deren unterschiedliche Wärmeverhältnisse und ertasten die unterschiedlichen Luftgebärden der beiden Laute: die ausströmende Flächigkeit des F und den umhüllenden Wärmemantel des H. Dann werden die ertasteten Konsonanten mit den Vokalen A und O in Verbindung gebracht und plötzlich erlebe ich eine Öffnung zwischen den Schulterblättern und das erste mal den Impuls zum erneuten Einatmen wie von hinten durch diese selbst geschaffene Öffnung hindurch pulsierend. Belebt und leicht gehe ich in meinen Tag.
In den folgenden Therapiestunden werden die Übungen wiederholt, weitergeführt und subtil differenziert. Weitere Laute treten hinzu und werden ebenso behutsam und sorgfältig im eigenen Experiment erarbeitet, in dem sich meine festen Körpergrenzen zu lösen und zu erweitern scheinen. Ich empfinde den Atem beim Tönen des H als von vorne in diese erweiterte sanfte Grenze eintreten und durch meine Brustmitte hindurch strömend. In diesen Augenblick hinein schiebt sich das Wort „ich bin die Tür“ und im nächsten Augenblick verläßt der Atemstrom durch die nach hinten erweiterte sanfte Grenze den Tonraum. -- Für mich war dies der unerwartetste und erstaunlichste Augenblick beim Geführten Tönen, an den ich mit Wärme zurückdenke.
Hatten sich diese architektonisch fassbaren, unsichtbaren, aber erlebbaren Tonräume gebildet durch das Dehnen des Leibes bei der Körperhaltung, die Belüftung beim Tönen, das Bewusstmachen beim Wahrnehmen? Wurden sie erst durch das Tönen aufgeschlossen für die Laute, für mich?
Durch die Übungen beim Geführten Tönen hatten sich nicht nur Tonräume gebildet, sondern auch Fragen zu dieser neuen Therapieform. Zum rechten Zeitpunkt bekam ich Band 1 von Anafonesis-Geführtes Tönen von Annette und Fritz Helmut Hemmerich in die Hand. Die klaren und bildhaften Vorbereitungs- und Übungsanleitungen dieses Einführungsbandes sind auch ohne Vorerfahrung nachzuvollziehen. Wertvoll für die Eigenversuche sind die Einschiebungen im Text, die den Leser aufmerksam machen auf verschiedene Phänomene und Wirkungen. Die Zeichnungen zur menschlichen Gestalt sind eine Anleitungshilfe und Orientierung für die Körperhaltung beim Üben. Eine Bestätigung meiner Raumerlebnisse beim Geführten Tönen stellen für mich die architektonischen Zeichnungen zu den Vokalen dar. Außerdem sind sie ein ästhetischer Genuss. Die Graphiken der Audiospektrogramme visualisieren die für die einzelnen Laute typischen Muster der Frequenzverteilung beim Tönen.
Das Buch ist nicht spektakulär und bis zum Ausblick das, als was es dargestellt wird: Basislektionen. Dem mitvollziehenden Leser sind bis zum letzten Kapitel eine Menge Fragen gewachsen, die dann im Kapitel Ausblick und im großen Anhang eine Fülle von Erklärungen, Hinweisen, Querverbindungen, Antworten bekommen.
Diejenigen, die das Geführte Tönen interessiert und die mit Forschergeist und Künstlerhaltung mit Selbstversuchen beginnen möchten, ist dieses Buch zu empfehlen. Im Hervorbringungsprozess des Geführten Tönens kann man sich als gestaltender Baumeister der eigenen Tonräume – und darüber hinaus auch in weiteren seelischen Bereichen - erfahren, denn „die Verwirklichung einer gestaltbildenden Kraft schafft eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie in einem anderen Zusammenghang ebenfalls wirksam wird (S.52)“.

Annette und Fritz Helmut Hemmerich, Anafonesis – Geführtes Tönen, Norderstedt 2006,
ISBN 3-8334-5107-6, 28,00 EUR

Marianne Altmaier, Kunsttherapeutin, Medizinische Sektion der Freien Hochschule in Dornach